Stellt Euch vor. Es ist Freitag und die ganze Family will vom Bodensee nach Heidelberg fahren. Natürlich ist es früher Nachmittag. Und wir sind selber schuld. Wer fährt schon im Wochenendverkehr mitten durch Deutschland?
Ich muss mich zunächst selbst outen. Denn wir steigen in unser Funcar ein. Das MINI CooperS Cabrio meiner Frau. Ich gebe zu, das ist im gleichen Preissegment wie ein Hybrid-Japaner und nicht wirklich ein vernünftiges Auto. Es ist zu kalt, offen zu fahren und ich bin eigentlich zu fett für die sportlichen Masse. Wir sind zu viert und die Kinder sind hinten zwischen Taschen und Jacken eingeklemmt. Ich kassiere gerne Punktabzug in Sachen Klimaschutz, CO2. Aber immerhin ein Benziner (kein Diesel) und voll besetzt.
Was jetzt folgt ist ein Bericht, bei dem es nicht in erster Linie um Emissionen geht. Nein viel banaler. Ums Navi.
Aber alles der Reihe nach.
Der MINI hat viele Extras. Buntes Innenlicht. Bluetooth-Schnittstelle. Der Linke Außenspiegel projiziert das Mini-Logo auf den Boden neben das Auto. Das ist sehr cool, wird uns aber gleich auf der Stautour nicht wirklich von Vorteil sein.
Ich versuche vom Beifahrersitz aus den Bordcomputer zu bedienen. Es ist völlig unverständlich, was man mit dem Nöppel in der Automitte machen soll. Musik, Fahrwerk und Gedöns. Für Männerhände viel zu dick. Ich sage zu meiner Frau, dass ich glaube, dass die BMW/MINI-Konstrukteure wohl völlig bekifft gewesen sein müssen, beim Programmieren bzw. dem Designen der Useroberfläche (das nennt man GUI) und dem Bediennöppel. Weil meine Frau noch nie Zeit hatte, sich mit der Bedienung des Bordcomputers zu befassen, probiert sie rum und kriegt das meiste eingestellt, ohne mir sagen zu können, wie sie es jetzt eigentlich gemacht hat. Einen Radiosender zu speichern gelingt uns nicht. DAB. Wenn ich es nicht schaffe, wieviele MINI-Fahrer brausen durch die Welt, ohne jemals den Scheiss wirklich differenziert eingestellt respektive genutzt zu haben?
So mag ich das. Der Konsument wird gequält und dafür bestraft, dass er soviel Extras gekauft hat. Das ist die Philosophie der Ingenieure und Techniker. Keep Things Complicated (Warum fragt mich mein altes TomTom: Mautstrassen vermeiden? J/N? oder das Entertainment-System: Mute-Taste einschalten?). Mir platzt das Hirn, der Kragen.
Patsch. Schon stehen wir im ersten Stau. Das Navi, in das wir mittlerweile irgendwie das Ziel eingegeben haben, kennt den Stau (natürlich) nicht. Es ist aber irgendwo vermerkt, dass die Radiomeldungen über Staus berücksichtigt werden. Spitze. Das ist ja eine sehr moderne, zukunftsweisende Technik…
Wir stehen/kriechen nun schon ganze 35 Minuten. Wir haben keine Infos darüber, wie lange der Stau dauert oder ob es Alternativen gibt. Im Navi ist wohl irgendeine Billigsoftware verbaut mit lustigen 3D-Darstellungen von Strassen aus der Vergangenheit. Das Auto war sauteuer, aber es war wohl wichtiger dieses Scheisslogo auf die Stasse zu projizieren (Excuse my German).
Ich soll doch das tolle Auto nicht schlecht machen, sagt meine Frau. Der Verkehrsfunk feiert jetzt Staumelder, die anrufen und irgendwas Unüberprüfbares aufs „Band“ (gemeint ist der digitale AB, der mit dem Audioschnittsystem der Radiostation verkoppelt ist) labern. Die Nachrichten dieser digitalen Helden sind zum Teil veraltet oder falsch. Diese Infos werden jetzt über das Radio verzögert in das proprietäre und geschlossene Bordsystem unseres Autos übernommen. Die Tatsache, dass wir schon wieder seit 20 Minuten auf der linken Spur rumkriechen, fliesst wegen eines fehlenden Rückkanals nicht in die Gesamtverkehrslage ein, denn diese Information erfordert ein System, das mitdenkt und sie fällt bestimmt unter Datenschutz und würde dann von der verhassten Konkurrenz mitbenutzt und ausgewertet. Das geht ja garnicht.
Aber ich habe Euch jetzt vielleicht überfordert. Und Google-Fans sagen bestimmt: Das gibt’s ja schon alles. Sebi, das ist Big Data (Gottseidank habe ich das Buch darüber gelesen, vor 2-3 Jahren – nein ich bin kein IT-ler, harte Kost, sowas interessiert mich).
Beim zweiten Stau – wir sind gemäss MINI-Navi wohl auf die falsche Autobahn geraten – wird mir das ganze zu bunt.
Die Stimmung in unserem Funcar sinkt entgegengesetzt proportional zu den immer weiter nach hinten rutschenden Ankunftzeiten. Da wir eigentlich noch in die Luft wollen mit Andy (Der echte Name des Hobbypiloten ist nur dem Verfasser bekannt) und der Cessna (Punktabzug. Ich weiss).
Ich buche ein Datenpaket bei Aldi-Talk für 4.50, denn ich bin PrePaid-Kunde und Roaming-Abzockerfeind.
Ich gebe das Ziel bei Google Maps ein.
Ich muss zugeben, mein Smartphone, das OnePlus5 (ein Android – 85% der User weltweit haben Android und nicht Apple!) hat sehr viel Power. Der Akku hält 2-3 Tage. Der Prozessor ist völlig überdimensioniert. Ich bin also eine Ausnahme. Aber ein Wutbürger wie ich verdient nur beste Technik. Endlich mal ein Gerät, das funktioniert und für mich primitiv genug in der Bedienung ist. So geht Technik.
Los gehts. Ich sehe unsere Position ohne Firlefanz und auch die Strecke. Ich bekomme sofort die Rückmeldung, dass ich 1,5 Stunden spare, wenn wir jetzt die Autobahn verlassen. Er zeigt mir ab jetzt jede Ansammlung von Autos, z.B. auch den Ministau vor einer Ampel oder in der Kurve. Er/Sie lotst mich souverän durch/ den Feierabendverkehr in einer bösen Gegend. Stuttgart, Frankfurt, Mannheim. Die Gegend besteht praktisch nur aus ausgebauten Bundesstrassen, Autobahnen, Dreiecken, Kreuzen, Auffahrten, Abfahrten. Als ob die Planer versucht hätten auf einer zu kleinen Fläche all ihre Gemeinheiten ausspielen zu müssen.
Die Hildegard von OK-Google hat eine etwas strenge Stimme und betont Eigennamen manchmal falsch und denkt, dass die 6-stelligen Nummern der Landstraßen bei uns wichtig sind (so wie in Trumpland), aber sie ist megagut informiert und beschreibt sehr gut, was als nächstes zu tun ist. ***** Fünf Sterne von #sebiturbo17
Es ist der Wahnsinn. Während das MINI-Navi zum Umdrehen rät, erkläre ich meinen genervten Mitfahrern, dass hier alle Informationen, also auch die, die unser Auto/Smartphone liefert, ausgewertet werden und mit nur Sekundenbruchteilen „Verspätung“ in die Routenplanung einfliessen.
Ja, wenn wir z.B. auf der linken Spur auf der Autobahn fahren und dann runterbremsen, versteht „das System“ dass da etwas vor uns ist. Und wenn das mehrere machen, dann ist das eine Art Stauende. Diese Info fliesst in alle Überlegungen ein und in Abhängigkeit von unserem Ziel wird abgewägt, ob es besser ist hier ein bisschen zu Bummeln oder über eine längere Strecke, die leerer ist, den Stau zu verlassen. Ich weiss. Big Data. Und wenn sich der Stau auflöst und wir wieder beschleunigen, dann weiss das System, dass der Stau zuende ist. Besonders weil gleich mal wieder mehrere Autos an der gleichen Stelle beschleunigen. Das ist auf der einen Seite megatoll. Auf der anderen Seite habe ich den Eindruck, dass alle, die bei der Standortortung von Google ja gesagt haben in dieses Processing eingebunden sind und dadurch viel mehr Rückmeldungen zu Google kommen, als nur die von denen, die das System als Navi nutzen.
Dank Google kamen wir nun doch noch pünktlich/ zum Rundflug. Heidelberger Schloss-Hockenheim-Ring-Mannheim.
Und jetzt kommt das, was ich nicht verstehe. Ich habe bei MINI gefragt, ob das Auto online ist. Man hat mich angeguckt wie ein Auto (passt die Formulierung ?); mit einem fragenden Blick durchbohrt. Ich frage auch nach free WLAN im Auto, bezahlt von BMW, äh MINI. Ich frage nach Datenaustausch fürs Navi. Man kann zu diesem Thema nichts kompetentes antworten. Willkommen in der digitalen Welt. Und jetzt mal ehrlich. Ich brauche doch den ganzen Technologiefriedhof im Auto nicht, wenn es veraltete, nicht lernbare Technik ist. Tja, wenn die Industrie sich nicht Autoindustrie sondern Mobilitätsindustrie nennen würde, hätten die längst die App zum Auto programmiert. Dort könnte man mit Touchscreen das Reiseziel „aufgeben“ (so wie Andy der Pilot) und LIVE eine Route ausrechnen, die am Stau vorbeiführt. Dieser Akkord von Rechenaufgaben würde den Stau verhindern und die Industrie würde valide Informationen über ihre User/Fahrer sammeln. Aber da hat eine Branche, die betrügerisch bei den Abgasen 1000e betrogen hat, offensichtlich „Skrupel“. Diese Skrupel kenne ich. Es sind Inkompetenz-Skrupel. Hervorgerufen durch die völlige Hohlheit derer, die Benzin im Blut haben. Autobauer können eben nur Autos bauen. Punkt. Da muss dann Google kommen und mit einer unvoreingenommenen Rechenplattform der digitalen Weiterentwicklung einer deutschen Traditionsindustrie komplett das Wasser abgraben.
Es ist tatsächlich immer noch so, dass die meisten Autohersteller an irgendwelchem Zeug basteln und in der Vergangenheit gebastelt haben, das sie den Deppen von Autofahrern teuer verkaufen können. Fast jeder kennt die Abzocke, wenn man das Navi bei Mercedes updaten muss (te?). DVDs in der Werkstatt einlesen muss. Abgesehen davon ist das Update am Tag der Veröffentlichung schon wieder mega-unaktuell. Und sowas wie Baustellen ist dem Zufall überlassen.
Fazit: weil die Hersteller komplett falsch gepolt sind und überholten Erlösmodellen hinterherlaufen (wir hatten die gleiche Entwicklung in der Musikindustrie) stehen wir mit dem Harman Kardon Entertainmentsystem in einem 50K€-Auto superblöd im Stau, während es Systeme gibt, die fast ohne Fehler aktuell wissen, wo die beste Route verläuft.
Klar Sebi, aber das weiss man doch. So ist sie eben die Automobil-Industrie. Blah Blah Blah. Arbeitsplätze, FDP. Grüne, CDU, Kohlestrom und überhaupt was regste Dich schon wieder auf. Das ist eben so. Wenn wir dann die selbstfahrenden Autos haben, dann geht das alles. Am besten ohne den Zweitdümmsten in der Verwertungskette: den Fahrer. Haben wir den dann endlich mal abgeschafft, dann läufts. Und dann fliesst das alles mit Big Data und Co. So ab 2030 ca.
Ja und dann holt mich der Smart per App zuhause ab. Aber bis dahin verpesten wir weiter die Luft und fahren einfach so in die Welt hinein. Schuld ist der Bund, weil er die Spuren 5 und 6 auf der BAB nicht rechtzeitig gebaut hat. Klaro.
Ich will es aber jetzt. Ich will dass sich jetzt was ändert. Ich möchte, dass wir von MINI einen Brief… nein Scheisse, ein WhatsApp bekommen, dass es ein kostenloses Upgrade für dieses Schrottnavi gibt, auf Basis eines Online-Plugin von Google, mit dem wir dem Stau entgehen. Denn online ist der MINI ja schon irgendwie, denn er kann einen Notfruf absetzen, wenn der VERBRENNUNGSMOTOR streikt oder der Reifen platt ist. Aber MINI hat kein WhatsApp. Daran scheitert schon mal alles. Hat beim Kauf auch keiner danach gefragt (Obwohl die Radiostation Radio7 seit neuestem auch Staumeldungen per WhatsUp akzeptiert.).
Das Hauptargument wieder mal wieder nix zu unternehmen lautet: „Dann wissen die ja plötzlich wo ich bin! Das wollen unsere Kunden nicht!“ Scheissegal, weil du hast Dein Smartphone ja immer dabei und bist längst geortet.
Weil man garnicht mehr ungetrübt durch die Landschaft düsen kann, weil es einfach zuviel Verkehr gibt baut die Industrie immer fettere und schnellere Autos. Und es scheint sich lange genug niemand darüber Gedanke gemacht zu haben, dass ein Auto mit eingebauter Vorfahrt sich besser verkauft. Insofern ist es mir schleierhaft, dass unser MINI nicht mit dem besten System ausgerüstet ist, das den Stau umfährt und anderen MINIS zufunkt, wo es gerade eng wird. Die Skrupel sind Ausreden. Euch Autobauer hat es viel zu lange nicht interessiert, was auf den Strassen abgeht und wie ihr VOR dem mega GAU etwas vorschlagen könnt, was umweltfreundlicher und besser ist als die Norm. Stattdessen wird volle Power in eine Betrugssoftware investiert. Kein Wunder, wenn Euch Tesla und Google auf der Standspur rechts im Stau überholen…
Ja. Soweit meine Erfahrungen. Meine Wut. Meine Vorschläge. Aber ich bin sicher, dass ich als nächstes eine Hochglanzbroschüre von MINI bekomme. Dort werden die neuesten Errungenschaften ausgelobt:
Durch eine Kooperation mit iTunes gibt es jetzt Auto-Karaoke. Endlich. Im Stau werden die Mitsingtexte über ein Update aufs HeadUp-Display projiziert. So kann man den Stau richtig geniessen.
Ich schliesse mit der Aussage, dass wir mindestens 50% der Staus der Dummheit der Autobauer verdanken und zeige Euch das Google Video über deren Flotte für autonomes Fahren. Stimmt, Conti und Fiat-Chrysler waren dabei. Aber nicht als Technologie-Führer sondern Zulieferer der Traditionsmodule.